Eine Podiumsdiskussion mit Eva Leitolf, Jochem Hendricks, Astrid Proll und Max Regenberg.
Moderation: Jan Wenzel
Konzept: Katja Stuke und Oliver Sieber
Samstag, 24. September, 17 Uhr
Kunsthochschule für Medien Köln (Aula), Filzengraben 2, 50676 Köln
Der Eintritt ist frei.
Eine Veranstaltung der Internationalen Photoszene Köln in Kooperation mit der
Kunsthochschule für Medien (KHM)
Wer macht Bilder? Wem gehören Bilder? Wem gehören die Erinnerungen an Bilder? Wer erlaubt Bilder? Wer entscheidet über Bilder?
Ein Bild, ein Foto, einmal gemacht und veröffentlicht, bekommt sofort ein Eigenleben. Es wird weiter benutzt, verbreitet, bearbeitet, beurteilt, geliebt, gehasst, interpretiert oder zensiert – der Fotograf oder die Fotografin hat schnell das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Bild verloren zu haben. Das Bild verändert seine Wahrnehmung und Beurteilung durch geänderte Kontexte oder Verkürzung, die nicht mehr im Einfluss derjenigen steht, die ursprünglich ein Bild geschaffen hat. Und als Betrachter können wir, je nach Kontext, gar nicht mehr so leicht unterscheiden, ob ein Foto von einem Amateur oder einem Profi, von einem Journalisten oder einer Künstlerin stammt. Manchmal gibt der Ort, an dem ein Bild betrachtet wird, einen Hinweis: in einer Ausstellung, in verschiedenen Medien, in sozialen Netzwerken, im Fotobuch, im Katalog, im Film usw.
Neben Fotografen und Künstlern gibt es natürlich noch viele andere, die mit dem Medium Fotografie umgehen, es deuten und nutzen. Neben ihnen arbeiten Journalisten, Soziologen, Neurologen, Kriminologen oder Anthropologen mit Bildern, nicht zu vergessen die Millionen von Amateuren und Privatpersonen, die fotografieren und mit diesen Fotos kommunizieren. Jede dieser Gruppen hat unterschiedliche Anforderungen an und Perspektiven auf die Bilder.
Eine allgemeingültige „Grammatik“ diese Bilder zu lesen gibt es noch nicht. Aber braucht man die nicht, wenn es immer mehr um visuelle Kommunikation geht und immer mehr mit Fotografie kommuniziert wird? Wenn gilt, dass Fotografie einen aktiven Anteil an sozialen und kulturellen Veränderungen hat. Und wenn wir davon ausgehen, dass Fotografie Einfluss darauf hat, was wir wollen, was wir sehen, was wir tun, wer wir sind, wohin wir gehen und an was wir uns erinnern.
Weitere Fragen können bei der Podiumsdiskussion eine Rolle spielen: Wer hat die Verantwortung, welche Bilder wo und wie veröffentlicht werden? Oft ist es nicht der Urheber alleine: Redakteure entscheiden, welche Bilder wie und wo veröffentlicht werden; Fotografien werden editiert und mit Text versehen, beschnitten. Und auch Privatunternehmen mischen sich bei Entscheidungen ein, welche Bilder im öffentlichen Raum zu sehen sind. Wer ist der Urheber und wann gehört ein Bild allen? Gehört es nicht jedem Einzelnen, wenn es betrachtet und im Gedächtnis abgespeichert und es so zu einer gemeinsamen Erinnerung wurde? Gibt es „unschuldige Bilder“? Welche Bilder regen auf? Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Podiums haben auf die eine oder andere Art ihre Erfahrungen mit diesen Fragestellungen gemacht.
Eva Leitolfs langjähriges Projekt „Postcards vom Europe“ dokumentiert seit langem in Bild und Text Orte, an denen sich die globale Migration in konkreten Konflikten auf Individualebene manifestiert. Ihr stellt sich die Frage, wie sich die Rezeption ihrer Arbeit in unterschiedlichen Kontexten ändert: in Ausstellungen, bei der die Bilder gemeinsam mit Texten auf postkartengroßen Karten, die die Besucher auch mitnehmen können, ausgestellt werden; in Magazinen, in denen nur verkürzt Ausschnitte publiziert werden; oder aber auch im geänderten gesellschaftlichen, politischen Kontext.
Jochem Hendricks hat für seine Arbeit „Revolutionäres Archiv“ Material aus einem umfangreichen Polizeiarchiv aus den 70er Jahren verwendet. Von Demonstrationen und Hausbesetzern, von Banküberfällen, Geiselnahmen und Unfällen, quasi der Blick auf Deutschland aus der Perspektive der Polizei. Mit Magdalena Kopp, Fotografin und Mitbegründerin der "Revolutionären Zellen" in Frankfurt, hat er diese Negative editiert und vergrößert. Als konzeptionell arbeitender Bildender Künstler eignet er sich gefundene Fotografien an, sowohl die greifbaren „Objekte“ aber auch die Erinnerungen, die „Bilder im Kopf“.
Auch Astrid Prolls Bilder der Serie „Hans und Grete“ haben eine lange Geschichte der Wahrnehmung und Deutung, der Inbesitznahme und der Wiederaneignung. Astrid Proll, in den 70er Jahren selber Akteurin der RAF, hat private Aufnahmen von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Weggefährten fotografiert. Durch die Begeisterung für eine neue Kamera entstanden private Bilder, die durch eine immer neue Kontextualisierung vielfältig gelesen werden. Auch später als Bildredakteurin hat sie selber Einfluss nehmen können auf die Auswahl und Verwendung von Fotografien und auf die Kommunikation mit Bildern.
Die Kampagne der Modefirma Benetton löste in den 1990er Jahren eine vielfältige Debatte aus: Was darf Werbung? Wie wird Fotografie verwendet und verstanden? Was ist im öffentlichen Raum (und in Magazinen) erlaubt und was verboten? Wie wird die Kampagne auch im Kunstkontext rezipiert und besprochen? Der Fotograf Max Regenberg hat die Werbeplakate der Benetton-Kampagne dokumentiert und gesammelt und berichtet, wie wichtig diese Diskussionen waren für die weitere Entwicklung der Fotografie, aber auch, dass einige der Motive auch 20 Jahre später noch kritisch beurteilt werden. Es stellt sich wieder die Frage: Wer entscheidet eigentlich, welche Bilder wir sehen?
Jan Wenzel hat mit Anne König, mit der er auch den Spector Verlag betreibt, in diesem Jahr das f-stop Festival in Leipzig kuratiert. Mit dem Thema „the end of the world as we know it ist der Beginn einer Welt, die wir nicht kennen“ haben sie sich mit der Veränderung der Fotografie befasst, und u.a. die Frage gestellt, wie die Fotografie in der Lage ist „der Komplexität unserer Gegenwart gerecht zu werden?“ Zuletzt mussten sie sich mit der Frage nach Gewalt gegen Bilder im öffentlichen Raum auseinandersetzen.